Außenminister Heiko Maas hat neue Gespräche über die EU-Marinemission Sophia gefordert. Es sei widersprüchlich, die Zustände in den libyschen Flüchtlingslagern als "unmenschlich" zu kritisieren und zugleich zuzulassen, "wenn Leute dahin zurückgebracht werden", sagte der SPD-Politiker in der ARD. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach sich für einen Neustart der EU-Marineoperation aus. "Ich denke, wir sollten sie wiederaufleben lassen", sagte der Spanier vor einem Treffen der EU-Außenminister an diesem Montag in Brüssel.

Die EU hatte den Sophia-Einsatz einst gestartet, um gegen Schleuser auf dem Mittelmeer vorzugehen. Dabei wurden auch immer wieder Migranten aus Seenot gerettet und – laut der damaligen Einsatzregeln – ausschließlich nach Italien gebracht. Dagegen verwahrte sich die Regierung in Rom, woraufhin die Mission de facto gestoppt wurde. Die Mitgliedsstaaten konnten sich nicht auf eine gerechte Verteilung der aus Seenot Geretteten einigen und stellen seitdem keine Schiffe mehr zur Verfügung. Die EU beschränkt sich nun auf die Ausbildung der libyschen Küstenwache, die Migranten wieder in die Flüchtlingslager im Land zurückbringt – unter meist humanitär prekären Bedingungen.

Maas forderte nun, dass die Europäische Union hier wieder "in die Verantwortung kommen muss" und sieht sich dabei mit Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn einig. "Man kann nicht sagen, die Migrantenlager in Libyen sind schrecklich, und dennoch Menschen dorthin zurückschicken", sagte dieser in Brüssel. Die Marinemission sei unter dem ehemaligen rechtspopulistischen Außenminister Italiens, Matteo Salvini, zusammengebrochen. "Salvini ist weg. Wir müssen Sophia wieder aufbauen", so Asselborn.

"Nicht zweiten Schritt vor dem ersten machen"

Später jedoch schwächte Maas seine Aussage ein Stück weit ab. Es gehe in Libyen jetzt darum, "aus der brüchigen Waffenruhe, die wir haben, erst einmal einen Waffenstillstand zu machen", sagte der SPD-Politiker. Es werde "ein breites Instrumentarium" debattiert, welchen Beitrag die EU leisten könne. Derzeit könne man noch nicht entscheiden, ob auf bestehende Missionen aufgebaut oder neue Einsätze ins Leben gerufen werden sollten. "Im Moment findet eine Debatte statt, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen", sagte Maas.

Der Maas sieht seinen Vorstoß vor allem als Teil des Friedensprozesses für Libyen, den die Bundesregierung unter der Ägide der Vereinten Nationen mit der Libyen-Konferenz in Berlin vorantreiben will. Am Sonntag hatten sich alle zwölf Teilnehmerstaaten – darunter die Konfliktparteien sowie deren Unterstützerländer Russland und Türkei – zu einer Waffenruhe verpflichtet. Demnach soll das bereits geltende Waffenembargo eingehalten und stärker kontrolliert werden und es "keine weiteren Unterstützungsleistungen" für die libyschen Konfliktparteien geben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte all jene empfangen, die Einfluss auf den Libyen-Konflikt haben. Darunter etwa ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Russlands Staatschef Wladimir Putin und US-Außenminister Mike Pompeo. Angereist waren auch der von der EU außer Frankreich anerkannte libyische Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch und sein – nur von Frankreich anerkannter – Konkurrent General Chalifa Haftar. Die beiden nahmen allerdings nicht an der großen Verhandlungsrunde teil, sondern nur an Einzelgesprächen. Beide benannten je fünf Vertreter, die ihrerseits im sogenannten 5+5-Komitee die Folgegespräche führen sollen. Außerdem waren Großbritannien, Frankreich, China, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Republik Kongo, Italien, Ägypten und Algerien vertreten. 

In weiteren Gremien soll nun die Umsetzung der Beschlüsse und Bekenntnisse ausgearbeitet werden: Es sollen dazu den Angaben der Bundesregierung zufolge vier Verhandlungskommissionen gebildet werden, die sich mit den verschiedenen Aspekten der Krise auseinandersetzen sollten, unter mit anderem Militär- und Wirtschaftsfragen. UN-Vertreter sollen die Arbeitsgruppen leiten. Dabei sollten auch Staaten mitarbeiten können, die nicht nach Berlin eingeladen wurden.