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Amerikanisch-deutsches Gemeinschaftsprojekt Fliegende Sternwarte findet Wasser auf dem Mond

Viel ist es nicht - als habe man eine 0,33-Liter-Getränkedose auf einem Fußballfeld verteilt. Dennoch ist der Fund der fliegenden Sternwarte "Sofia" spannend: Auf der Mondoberfläche gibt es Wasser.
Flugzeugsilhouette vor dem Mond (es handelt sich bei der Maschine nicht um das Observatorium "Sofia")

Flugzeugsilhouette vor dem Mond (es handelt sich bei der Maschine nicht um das Observatorium "Sofia")

Foto: Toby Melville/ REUTERS

Im Hangar von Lufthansa Technik am Hamburger Flughafen steht in diesen Tagen ein einzigartiges Flugzeug zur turnusmäßigen Durchsicht: Die fliegende Sternwarte "Sofia", eine 43 Jahre alte Boeing 747SP, wird bis Anfang kommenden Jahres in Fuhlsbüttel gewartet.

Das Besondere an der Maschine ist, dass sie in ihrem Inneren ein Infrarotteleskop und andere wissenschaftliche Gerätschaften trägt. Mit ihnen lässt sich bei Forschungsflügen weit hinaus ins All schauen, jenseits des störenden Wasserdampfes in der Erdatmosphäre. Dazu wird eine große Tür an der Seite des Jets geöffnet, durch die das 2,7-Meter-Teleskop nach draußen sehen kann.

Die fliegende Sternwarte ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-Weltraumbehörde Nasa und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seit Jahren steht sie aber immer wieder in der Diskussion. Die Amerikaner haben mehrfach gedroht, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Aus ihrer Sicht war der wissenschaftliche Output in Form von Publikationen nicht überzeugend genug.

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Am Montag verkündete die Nasa nun jedoch auf einer recht kurzfristig angesetzten Pressekonferenz eine - wie sie vorab warb - "aufregende neue Entdeckung", die ohne "Sofia" nicht ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Ein Team um Casey Honniball vom Goddard Space Flight Center der Nasa in Greenbelt (US-Bundesstaat Maryland) hat demnach bereits bei einem Messflug am 31. August 2018 molekulares Wasser auf der Oberfläche des Mondes nachgewiesen - und zwar auch in Bereichen des Erdtrabanten, die von der Sonne beschienen werden. Die "Sofia"-Messungen fanden damals am Krater Clavius im südlichen Hochland des Mondes statt. Er hat einen Durchmesser von etwa 225 Kilometer und ist damit der zweitgrößte Krater, den man von der Erde aus sehen kann.

Zukünftige Missionen könnten sich für das Wasser interessieren

Die Forscher berichten auch im Fachmagazin "Nature Astronomy " über ihre Entdeckung. Dort hatte man das entsprechende Manuskript bereits im vergangenen November erhalten, aber erst jetzt veröffentlicht. Möglicherweise gab es Überarbeitungswünsche durch die wissenschaftlichen Gutachter der Zeitschrift. Der Artikel berichtet nun von Wassermolekülen, die in winzigen Glaskügelchen und zwischen den Körnern des Mondstaubs eingeschlossen sind. Die Konzentration der Moleküle ist niedrig - 100 bis 400 von ihnen kommen auf eine Million andere Moleküle auf der Oberfläche. Und doch: Das Wasser ist da, auch bei Temperaturen von bis zu 120 Grad Celsius.

"Die Menge an Wasser, die 'Sofia' entdeckt hat, entspricht etwa dem Inhalt einer 0,33-Liter-Getränkedose, verteilt über die Oberfläche eines Fußballfeldes", erklärt Alessandra Roy, "Sofia"-Projektwissenschaftlerin im DLR Raumfahrtmanagement, die nicht an Honniballs Forschungen beteiligt war. "Der Mond bleibt damit trockener als die Wüsten auf der Erde, aber die gefundene Wassermenge könnte immer noch wichtig für zukünftige astronautische Weltraummissionen werden."

"Wir wissen noch nicht, ob wir es als Ressource nutzen können, aber das Wissen über das Wasser auf dem Mond ist der Schlüssel für unsere 'Artemis'-Erkundungspläne", twitterte Nasa-Chef Jim Bridenstine zur Verkündung der Ergebnisse.

Die US-Weltraumbehörde hat angekündigt, bis zur Mitte des Jahrzehnts wieder mit Menschen auf den Mond zurückkehren zu wollen. Derzeit laufen zahlreiche Ausschreibungen für die nötige Technik, die auch von Privatfirmen eingekauft werden soll. Wie es mit dem entsprechenden "Artemis"-Programm weitergeht, wird auch der Ausgang der Präsidentschaftswahl entscheiden. Mit einem möglichen Regierungswechsel könnte - wie es in der Vergangenheit bereits mehrfach passiert ist - die Arbeit der Weltraumbehörde neu ausgerichtet werden.

Es ist nicht ganz klar, warum das Wasser noch da ist

Unabhängig davon zieht es aber zum Beispiel die Chinesen auf den Mond, auch Russland vermeldet langfristig entsprechende Pläne. Und wer immer auf dem Erdtrabanten landet, wird sich darum bemühen, die dort existierenden Ressourcen für die Mission zu nutzen - weil der Frachttransport von der Erde extrem teuer ist. Wasser wäre nicht nur für Astronauten interessant, sondern auch als Raketentreibstoff, wenn man vom Mond weiter hinaus ins Sonnensystem fliegen will.

Bereits seit gut zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass der Mond nicht so staubtrocken ist, wie man vermuten könnte. Entsprechende Beobachtungen haben die Raumsonden "Chandrayaan-1", "Deep Impact" und "Cassini" gemacht. Allerdings war es in diesen Messungen nicht einfach möglich, zwischen Wassermolekülen - sie bestehen aus zwei Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom - und sogenannten Hydroxylradikalen zu unterscheiden, bei denen nur ein Wasserstoff- und ein Sauerstoffatom verbunden sind. Das lag an der Wellenlänge der Infrarotstrahlung, die damals gemessen worden war. Diese war sowohl für Wassermoleküle als auch Hydroxylradikal charakteristisch. Die Messungen von Honniball und ihren Kollegen fanden nun bei einer anderen Wellenlänge statt, über die sich das Wasser nach Ansicht der Forscher zweifelsfrei als solches identifizieren lässt.

"Faszinierend und extrem spannend", nennt Mondforscher Harald Hiesinger von der Universität Münster die Ergebnisse im Gespräch mit dem SPIEGEL. Die Studie sei "ziemlich clever gemacht" und ergänze "die bisherigen Ergebnisse deutlich".

Interessant ist die Frage, warum die Wassermoleküle eigentlich noch da sind - es wäre zu erwarten, dass sie durch die Sonneneinstrahlung längst verdunstet und auf Nimmerwiedersehen ins All entwichen sein müssten. Warum sie dennoch nachweisbar sind, dazu gibt es mehrere Theorien: Zum einen könnte es sein, dass Mikrometeoriten beständig geringe Mengen Wasser zum Mond bringen. Dieses könnte im Gestein abgelagert werden. Oder aber, durch größere Einschläge wird Wasser aus den tieferen Schichten des Mondbodens nach oben befördert. Eine andere Möglichkeit wiederum bestünde darin, dass durch den Sonnenwind Wasserstoffatome auf den Mond gebracht werden, die sich dort mit den vorhandenen Hydroxylradikalen zu einem Wassermolekül verbinden.

Und dann ist da noch das Eis an den Polen

Neben den fein verteilten Wassermolekülen im Boden gibt es auch größere Wasservorkommen auf dem Mond - und zwar in Form von Eis, das zum Beispiel im schattigen Inneren von Mondkratern überdauert hat. In einem weiteren Artikel in "Nature Astronomy"  berichtet eine Wissenschaftlergruppe um Paul Hayne von der University of Colorado in Boulder, dass weit größere Areale als bisher vermutet als sogenannte Kältefallen fungieren könnten.

Das heißt: An diesen Orten kommt so wenig Wärme von der Sonne an, dass Eis dort dauerhaft bestehen kann. Den Forschern zufolge ist es auf rund 40.000 Quadratkilometern der Mondoberfläche kalt genug. Das Team hatte mit Daten des "Lunar Reconnaissance Orbiter" gearbeitet. Bei Modellierungen fanden die Forscher heraus, dass aus ihrer Sicht vor allem die Zahl der kleinen Kältefallen bisher unterschätzt wurde. Selbst in Bereichen mit nur einem Zentimeter Durchmesser könnten Eisstücke überleben. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das an den Mondpolen eingeschlossene Wasser als Ressource für künftige Missionen weiter verbreitet und zugänglich sein könnte als bisher angenommen", lautet daher ihr Fazit.