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Käthe Leichter (1895 - 1942)

Herbert Exenberger

 

 

Dr. Käthe Leichter (Marianne Katharina) wurde am 20. August 1895 als Tochter des Rechtsanwaltes Josef Pick und seiner Frau Lotte in Wien geboren. Sie wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen auf und besuchte eine der angesehensten Schulen des damaligen Wiens, das "Beamtentöchter-Lyzeum". Nachdem sie sich durch eine Klage beim Reichsgericht die Zulassung zum Studium erkämpft hat, inskribierte Käthe Leichter 1914 Staatswissenschaften an der Universität Wien. Der mit den Eltern befreundete Jurist und Reichsratsabgeordnete Julius Ofner und der soziale Reformator Josef Popper-Lynkeus weckten bei ihr das erste Interesse für soziale Fragen. So arbeitete sie etwa neben ihrem Studium als Erzieherin von Arbeiterkindern im Döblinger Proletarierviertel "Krim". Da ihr die Abschlußprüfungen in Wien verweigert wurden, übersiedelte sie nach Heidelberg. Während des Ersten Weltkrieges verkehrte sie in einem Kreis aktiver Kriegsgegner, unter ihnen der junge Schriftsteller Ernst Toller. Am 26. Dezember 1917 wurde ihr deshalb von den deutschen Behörden "für die Dauer des Krieges die Einreise nach Deutschland verboten". Mit einer Sondergenehmigung "zwecks Ablegung der nationalökonomischen Doktorprüfung" promovierte Käthe Leichter am 24. Juli 1918 mit Auszeichnung bei Max Weber. Nach ihrer Rückkehr nach Österreich war sie in einer Gruppe linker Studenten tätig, unter ihnen befand sich auch ihr späterer Mann Otto Leichter, und schloß sich der Rätebewegung an.

Ab April 1919 beschäftigte sie Otto Bauer als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Staatskommission für Sozialisierung. Darüber hinaus war Käthe Leichter Konsulentin im Finanzministerium und wurde einige Zeit später von Wilhelm Ellenbogen in den Zentralverband für Gemeinwirtschaft berufen.

1921 heiratete sie den sozialdemokratischen Journalisten Otto Leichter und drei Jahre später wurde ihr erster Sohn Heinz geboren, 1930 kam ihr zweiter Sohn Franz zur Welt. 1925 trat eine entscheidende Wendung im Leben Käthe Leichters ein. Sie übernahm den Aufbau des Frauenreferats in der Wiener Arbeiterkammer. Zahlreiche Veröffentlichungen, die Gestaltung des Frauenteils von Arbeit und Wirtschaft sowie des Österreichischen Metall- und Bergarbeiters und einige selbständige Publikationen, etwa das nach wie vor zu den Standardwerken zählende "Handbuch der Frauenarbeit in Österreich", zeugen vom bedeutenden sozialpolitischen Engagement Käthe Leichters. Neben ihren politischen Aktivitäten im Frauenzentralkomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und in der sozialdemokratischen Bezirksorganisation Innere Stadt zählte sie zu den eifrigsten Referentinnen der Zentralstelle für das Bildungswesen. So referierte sie etwa 1933 in Wiener sozialdemokratischen Organisationen über: So leben wir - Gehört die Frau ins Haus? - Ist der Marxismus schuld? - Was wird aus Österreich? - Österreich ist nicht Deutschland - Was wird uns Frauen der Sozialismus bringen? - Die Vaterländische Front und die Frauen - Die Frau in Deutschland einst und jetzt - Partei und Jugend - Notverordnungen und Sozialpolitik - Versuche sozialistischer Planwirtschaft/Rußland - Die Politik der Faschisten - Strukturwandlungen der Gesellschaft - Wann kommt unsere Stunde?

Nach der Zerschlagung der Sozialdemokratie durch die Regierung Dollfuß im Februar 1934 flüchtete die Familie Leichter in die Schweiz; auch hier trat sie für die Revolutionären Sozialisten ein. Im September 1934 kehrten Käthe und Otto Leichter nach Österreich zurück und betätigten sich im Untergrund für ihre Partei. Käthe Leichter gehörte dem Schulungsausschuß der Revolutionären Sozialisten an, verfaßte Flugschriften und redigierte den Informations- und Nachrichtendienst der RS. Ihr kleines Haus in Mauer wurde ein Treffpunkt von Funktionären der verfolgten Arbeiterbewegung.

Der Einmarsch der Truppen des nationalsozialistischen Deutschland am 12. März 1938 setzte die Familie Leichter neben der Verfolgung wegen ihrer politischen Gesinnung noch dem Rassenwahn der Nazis aus. Während Otto Leichter im März 1938 mit einem gefälschten Paß in die Schweiz flüchten und die Söhne mit Hilfe einer befreundeten Familie und der ehemaligen Hausgehilfin ins rettende Ausland gebracht werden konnten, wurde Käthe Leichter durch Verrat des Spitzels Hans Pav am 30. Mai 1938 von der Gestapo festgenommen. Inhaftiert zunächst im Polizeigefängnis und dann im Gefängnis des Wiener Landesgerichtes, las Käthe Leichter die ihr zugänglichen Bücher aus der Gefängnisbibliothek und verfaßte Lebenserinnerungen, die sie ihrer Freundin Frieda Nödl übergeben konnte. Trotz zahlreicher ausländischer Interventionsversuche transportierte man sie im Jänner 1940 ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Ihre Mitgefangene, die Sozialistin Rosa Jochmann, schrieb über Käthe Leichter im Dezember 1945 unter anderem: "Genossin Leichter war die Seele ihres Blockes und uns 'Politischen' die Lehrerin, die sie draußen gewesen war. Die Juden waren alle auf einem Block untergebracht, 500 im Jahre 1940, niemand wurde so gequält wie sie ... Viele wunderbare Gedichte hat Käthe Leichter geschrieben, wir mußten sie über ihren Wunsch alle vernichten, da sie immer sagte: 'Ich habe sie ja im Kopf, und ich weiß, ich komme bestimmt nach Hause.' Leider sind nun alle bis auf ein einziges verlorengegangen." Etwa das Gedicht "Kleiner roter Ziegelstein", ein einziger Aufschrei über die Färbung der Ziegelsteine durch das Blut der Häftlinge, oder das gemeinsam mit der Kommunistin Hertha Breuer verfaßte Theaterstück "Schum-Schum", in dem auch die SS der Lächerlichkeit ausgesetzt wurde. Im März 1942 wurde Käthe Leichter mit ihren jüdischen Leidensgefährtinnen im Zuge des nationalsozialistischen Euthanasie-Programms (Aktion 14f13) in der Psychiatrischen Anstalt Bernburg/Saale ermordet. Die Aschenurne Käthe Leichters wurde am 24. April 1942 auf der neuen israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofes beigesetzt.

Seit 15. Februar 1949 erinnert im 13. Bezirk eine Käthe Leichter-Gasse an diese österreichische Sozialistin. Am 8. Oktober 1988 wurde die Benennung des Käthe Leichter-Hofes der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte, 13. Bezirk, Auhofstraße 152-156, durchgeführt und eine Gedenktafel für sie enthüllt.

 

Selbständige Werke

 

Frauenarbeit und Arbeiterinnenschutz in Österreich. Wien: Verl. Arbeit und Wirtchaft 1927. 238 S.

Wie leben die Wiener Heimarbeiter? Eine Erhebung über die Arbeits- und Lebensverhältnisse von tausend Wiener Heimarbeitern. Wien: Verl. Arbeit und Wirtschaft 1928. 145 S.

Handbuch der Frauenarbeit in Österreich. Hrsg. von der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Wien. Wien 1930. 674 S.

100.000 Kinder auf einen Hieb! Die Frau als Zuchtstute im Dritten Reich (Anonym). Wien: Verl. der Wiener Volksbuchhandlung 1932. 12 S. (Sozialistische Kampfschriften, Heft 1)

So leben wir ... 1320 Industriearbeiterinnen berichten über ihr Leben. Wien: Verl. Arbeit und Wirtschaft 1932. 156 S.

Käthe Leichter zum 100. Geburtstag. Texte zur Frauenpolitik. Auswahl von Eckart Früh und Karl Stubenvoll. Hrsg. von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien. Wien 1995. 236 S.

Lebenserinnerungen. In: Käthe Leichter. Leben, Werk und Sterben einer österreichischen Sozialdemokratin. Hrsg. von Herbert Steiner. Wien: Ibera & Molden 1997. 520 S.

 

Dieser Text wurde veröffentlicht in: Herbert Exenberger (Hrsg.), Als stünd' die Welt in Flammen. Eine Anthologie ermordeter sozialistischer SchriftstellerInnen. Wien: Mandelbaum Verlag 2000.

 

 

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