6.+7. Tag an der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe

 

von Bernd Berger

Nach dem Plenum zur christlichen Einheit und zum gemeinsamen Zeugnis der Kirchen mit einer Keynote von Erzbischof Justin Welby, standen die beiden letzten Tage der Vollversammlung im Zeichen der Beschlussfassung. Innerkirchlich zentral ist das Unity-Statement, das als Botschaft an die Mitgliedskirchen und die Gläubigen die Suche nach Einheit und gemeinsamem Zeugnis bekräftigen soll. Diese Einheit ist eine Einheit in Diversität.

Fokus: Erklärungen zur Klimakrise, zum Ukraine-Krieg und zum Frieden im Mittleren Osten

Stärker im Fokus des öffentlichen Interesses standen jedoch die Erklärungen zur Klimakrise, zum Ukraine-Krieg und zum Frieden im Mittleren Osten. Grosse Einheit bestand bei der Erklärung «The Living Planet» zur Klimakrise mit einem Aufruf, das 1,5 Grad-Ziel mit allen erforderlichen Massnahmen anzustreben. Es wurden aber nicht nur politische Forderungen aufgestellt, sondern auch zu intensiver (schöpfungs-)theologischer Grundlagenarbeit aufgefordert und der ÖRK verpflichtet sich, das Netto-Null-Ziel bis 2030 zu erreichen, bei allen Aktivitäten auf Klimafreundlichkeit zu achten und die Reisetätigkeit zu minimieren. Sehr kontrovers war die Erklärung zu Israel/Palästina. Starke Forderungen, die israelische Besatzungspolitik als Apartheidsregime zu bezeichnen, trafen auf deutlichen Widerspruch und Warnungen vor antisemitischen Tendenzen. Berechtigte Kritik an der Besatzungspolitik müsse auch der Bedrohung, der Israel ausgesetzt ist und der Geschichte Rechnung tragen und der Apartheidsbegriff sei ein Hindernis auf dem Weg zu einer friedlicheren Zukunft. Dass dieser Dissens in der Erklärung klar benannt wurde, scheint mir ein positives Ergebnis zu sein.

Die Erklärung zum Ukraine-Krieg dürfte vielen als zu vorsichtig und diplomatisch erscheinen und wird Erwartungen wie die des deutschen Bundespräsidenten eher enttäuschen. Dennoch wird der Krieg als «illegal und nicht zu rechtfertigen» bezeichnet (und wir wissen, wer den Krieg begonnen hat) und es wird «jeder Missbrauch von religiöser Sprache und Autorität zur Rechtfertigung bewaffneter Aggressionen» abgelehnt. Angesichts des Konsensprinzips muss betont werden, dass also die ROK zumindest diese Erklärung nicht verhindert hat. Das ist nicht viel, aber angesichts der öffentlichen Äusserungen der ROK immerhin ein kleiner Schritt. Die Anwesenheit der ROK und die Wahrung der Gesprächsbasis erscheint mir aus diesen Gründen auch im Nachhinein richtig. Ob dieser Kurs aufrecht erhalten werden kann, wird nicht zuletzt am weiteren Verhalten der ROK liegen.

Resumé

Unsere Kursgruppe verlässt Karlsruhe mit dem dankbaren Gefühl, in diesen Tagen reich beschenkt worden zu sein. Gemeinsam Gottesdienste zu feiern, in unzähligen Sprachen zu singen, unterschiedliche Liturgien zu erleben – das ist ein  beglückendes Erlebnis und lässt die Kraft und die Aktualität unseres gemeinsamen christlichen Glaubens spüren. Ebenso beeindruckend waren die Begegnungen, all die vielfältigen Geschichten von Menschen, die in ihrem Kontext als Christ:innen unterwegs sind. Manches rückt unsere Fragestellungen in ein anderes Licht und in einen weiteren Horizont, manches ist auch befremdlich. Und für mich hat sich auch noch einmal das Bedürfnis verstärkt, auch bei uns in der Schweiz zwar Unterschiede deutlich zu benennen und engagiert zu streiten, aber in allem die Einheit zu bewahren und andere wirklich zu sehen, wie sie wirklich sind und ihnen Raum zu geben. Das Konsensverfahren des ÖRK ist hier eine ganz starke Möglichkeit, Differenz wahrzunehmen und ernsthaft und respektvoll zuzuhören. Demokratie ist mehr als die Macht der Mehrheit, bei der alle die gleiche Stimme haben. Es ist auch der Umgang mit Minderheiten, der einen demokratischen Prozess ausmacht.

Im Schlussgottesdienst lernten wir ein Maori-Wort kennen, das bedeutet: «Ich sehe dich». Es gibt wohl kaum eine passendere Zusammenfassung dieser Vollversammlung.

5. Tag an der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe

Auslegung der Gottebenbildlichkeit des Menschen

 

von Bernd Berger

Rabbi David Fox Sandmel sprach als Vorsitzender des International Jewish Committee for Interreligious Consultations zur Versammlung. Seine Auslegung der Gottebenbildlichkeit des Menschen war beeindruckend. Wir sollten auch in all den Menschen das Ebenbild Gottes sehen, die nicht so aussehen wie wir, die eine andere Sprache sprechen, anders denken und Gott anders anbeten als wir. Zweifellos wäre dies ein wichtiger Schritt hin zu Frieden und Versöhnung.

Das thematische Plenum zu «Menschenwürde und unser aller Menschsein bekräftigen» wurde mit einem berührenden Tanz eines Rollstuhlfahrers und einer jungen Frau eröffnet. Die starken Statements der Podiumsteilnehmenden wurden umrahmt von einer bibliodramatischen Inszenierung der kanaanäischen Frau, die Jesus dazu bewegt, ihre Tochter zu heilen (Mt 15,21-28) – die Geschichte einer starken und mutigen Frau und eine Geschichte, die Jesu Berührbarkeit zeigt.

Wahlen des Zentralausschusses

Am Nachmittag fand die zweite Beschlussfassungs-Session statt, bei der die 150 Mitglieder des Zentralausschusses des ÖRK gewählt wurden, darunter auch Serge Fornerod, EKS und Christoph Schuler, christkath. Kirche Schweiz.

Zwei Mitglieder der EKS-Delegation (Emma van Dorp und Suzanne Schild), Delegationsleiter Heinz Fäh und Sarah Bach, die von der weltweiten EMK als Schweizer Mitglied delegiert wurde, berichteten am Abend im Swiss Hub von ihren Erfahrungen. Die Delegierten leisten vor und während der Versammlung ein Riesenpensum. Sie zeigten sich sehr beglückt von der Atmosphäre der Versammlung und besonders dem intensiven Austausch in den Ecumenical Conversations, bei denen wichtige Themen in sehr divers zusammengesetzten Gruppen diskutiert werden. Die beiden jungen Delegierten Emma van Dorp und Sarah Bach zeigten sich aber auch etwas enttäuscht darüber, dass es nicht gelungen ist, mehr Junge in den Zentralausschuss zu wählen. Angestrebt waren 25%, gewählt wurden etwa 13%, was auf fehlende Nominierungen junger Mitglieder aus den Kirchenfamilien zurückzuführen ist. Insgesamt ist die Wahl des Zentralausschusses ein unglaublich kompliziertes Mobile – bei mehr als 350 Mitgliedskirchen und dem Anspruch, dass alle Kirchenfamilien und Weltregionen, Junge, Indigene, Frauen und Disabled Perons angemessen vertreten sein sollen. Dieser Anspruch sorgt immer wieder für Diskussionen, ist aber auch eine grosse Stärke des ÖRK.

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EKS-Delegierte berichten berichten im Swiss Hub von ihren Erfahrungen.

4. Tag an der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe

Bekräftigung der Ganzheit des Leben

 

von Bernd Berger

Im thematischen Plenum des heutigen Tages ging es um die Bekräftigung der Ganzheit des Lebens. Systemische Ungerechtigkeit wurde angesprochen und lebensbejahende Alternativen aufgezeigt. Vertreter:innen von Kirchen aus dem globalen Süden kamen zu Wort.

«Kapitalismus tötet» - wenn wir diesen Satz in einem schweizerischen Kontext aussprechen, geraten wir in Verdacht, uns einer linken bis linksextremen Ideologie zu verschreiben. Und es ist ja tatsächlich so, dass ein auf Konkurrenz und freier Entfaltung aufbauendes Wirtschaftssystem den Menschen im Westen viel Wohlstand ermöglicht hat – allerdings auch eine Menge von hochproblematischen Nebenwirkungen, zu denen die Klimakatastrophe gehört.

Wenn wir auf unsere Schwestern und Brüder im Süden hören, dann ist der Satz «Kapitalismus tötet» keine linke Ideologie, sondern tagtägliche Lebenserfahrung. Das ist mir am heutigen Tag der Vollversammlung des ÖRK wieder einmal bewusst geworden. Als Christ:innen ist es unsere Aufgabe, diese Stimmen des Südens zu hören und sie in unsere Gemeinden und unsere Gesellschaften zu tragen. Wir können nicht anders, als eine weltweite, ökumenische Perspektive einzunehmen. Und wir können unseren Gemeinden unangenehme Wahrheiten, den Blick auf die vulnerablen Menschen nicht ersparen.

Wie kann es gelingen?

Wie gelingt es uns, dabei zu zeigen, dass wir uns nicht einer säkularen Ideologie verschrieben haben, sondern den Schwestern und Brüdern, die durch die gegenwärtige Ausgestaltung unseres Wirtschaftssystems ihrer Lebenschancen beraubt werden? Wie gelingt es uns, die Dringlichkeit eines Umdenkens angesichts des Klimawandels deutlich zu machen, ohne in apokalyptische Szenarien zu verfallen und Resignation oder Radikalisierung zu befördern?

Es kann nur gelingen, wenn wir die hören und sichtbar machen, die unter den gegenwärtigen ökonomischen Strukturen leiden und unter der drohenden Zerstörung von Lebensraum. «Compassion» ist einer der zentralen Begriffe dieser Vollversammlung. Wo das Leiden Mitgefühl weckt und die Liebe Christi uns dazu fähig macht, uns von Herzen mit anderen zu verbinden, wird Veränderung, Einheit und Versöhnung möglich. Es ist keine Ideologie, welcher Couleur auch immer, die uns dazu treibt, strukturelle Ungerechtigkeiten, Ausbeutung und die Verletzung von Menschenrechten anzuklagen, sondern die herzliche Verbundenheit mit den Verletzlichen, in denen uns Christus begegnet.

Wir müssen eine Sprache finden, die deutlich macht, dass es das Mitgefühl mit den Betroffenen ist, welches uns zur Anklage und zum Handeln treibt. Wir müssen eine Sprache finden, die auch denen Respekt entgegenbringt, die in den ökonomischen Strukturen handeln und gerecht, menschlich handeln möchten. Und wir sind uns bewusst, dass es nicht an uns ist, diese Welt zu retten, sondern dass wir auf Gottes Zukunft setzen sollen. Wer aber auf Gottes Zukunft setzt, kann nicht wegschauen, wenn Menschen verletzt und ihrer Lebensgrundlagen beraubt werden.

Wahlen der 8 Präsident:innen

Am Nachmittag fand die erste Beschlussfassungs-Session statt, bei der 8 Präsident:innen gewählt wurden, sechs aus den verschiedenen Weltregionen und zwei Vertreter der Orthodoxie. Für Europa wurde Rev. Prof. Dr. Susan Durber von der United Reformed Church UK gewählt. 

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Was die weltweite Kirche von deutschen Kirchen lernen kann #evrefK22

 

von Andreas Anderfuhren

Statements deutscher Akteure kommen mir an der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe recht forsch und herausfordernd vor. Schon für meine schweizer Ohren – mehr noch für orthodoxe Zuhörende. Was diese deutschen Stimmen aber gemacht haben – sowohl von kirchlicher als auch von politischer Seite her: Sie fingen mit einem Schuldeingeständnis an. Was für einen Unterschied das macht! Es rückt die ganze Aussage in ein anderes Licht. Man kann etwas Hartes und Herausforderndes ganz anders sagen, wenn man damit anfängt, was man selbst falsch macht und wo man selbst umkehren muss. Zuhörende können besser daran anknüpfen.

Das ist zutiefst christlich! Wir wissen: Ein guter Weg in die Zukunft muss mit Umkehr anfangen – metanoia. Das wissen auch Orthodoxe. Umkehr spielt eigentlich in der orthodoxen Theologie eine zentrale Rolle. Manchmal scheint es, dass sie jedoch rein geistlich gefüllt wird – und weniger Niederschlag im praktischen, politischen, Leben findet. Wenn es gelingen würde, mehr am Wert von Umkehr anzuknüpfen – könnten wir ganz anders miteinander reden. Dann könnten die zukünftigen Gespräche mit und zwischen Orthodoxen ganz anders ablaufen.

Auch bei Statements von Akteuren zum Nahost-Konflikt hat mir diese Haltung gefehlt. Vielleicht wäre der recht konfrontative regionale Abend der Nahost-Delegationen des ÖRK anders – produktiver – verlaufen, wenn die Sprechenden dem Beispiel der deutschen Stimmen gefolgt wären: Anfangen mit einem Eingeständnis der eigenen Schwäche und dem Willen zur Umkehr.

Impression der Studienreise

Impression aus der Studienreise

Rückblick auf die erste Hälfte der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe

 

von Eva Steiner

Nach einer ersten Phase des Zurechtfindens und der Orientierung faszinierte mich von Beginn weg die besondere Stimmung auf dem Gelände der Vollversammlung. Sei es am Rande eines Anlasses, sei es beim Anstehen fürs Essen, sei es an einem der Esstische – überall kann ich mit Menschen aus der ganzen Welt ins Gespräch kommen. Dieser persönliche Austausch ist sehr befruchtend und geht vielfach auch ins Persönliche über.

Einen ganzen Tag an den Plenarveranstaltungen teil zu nehmen empfinde ich als anstrengend. Es gibt häufig lange Einleitungen oder Selbstdarstellungen der eigenen Kirche, die sicher teilweise sinnvoll sind, es aber erschweren, dem Vortrag bis zum Ende konzentriert zu folgen. Auf der anderen Seite kann eine einzelne kurze Rede zu einem Höhepunkt werden: So das Grusswort der Muslima Azza Karam, die über die Liebe Jesu Christi sprach, die universell sei und deshalb auch für sie gelte. Sie ermahnte uns eindrücklich, diese Liebe in Taten zu leben.

Reden, feiern, beten, singen

Gespräche sind das eine, gemeinsam zu feiern, zu beten und zu singen das andere. Die Morgenandachten berühren mich sehr. Sie finden – mit Übersetzungen in Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch - in den Sprachen der anwesenden Teilnehmenden statt und das sind Viele. Zudem kann die unterschiedliche Art, eine Andacht zu feiern erlebt werden. Und am Schönsten ist es, Lieder aus der ganzen Welt mit einer guten instrumentalen und chorischen Begleitung zu singen. Ich finde es berührend, den freudigen Ausdruck in den Gesichtern der Dirigierenden zu sehen, wenn die Versammlung ein Lied aus ihrer Heimat singt.

In den Workshops begegne ich den Problemen, mit denen die Kirchen in ihren Ländern zu kämpfen haben in persönlichen Berichten von Menschen, die sich engagieren. Es ist schwierig und belebend zugleich. Schwierig, weil mir immer wieder bewusst wird, wie wenig ich einerseits zur Verbesserung der Lage bei ihnen beitragen kann und wie gross andrerseits der Anteil der sogenannt «westlichen Welt» an ihren Schwierigkeiten ist. Belebend, weil die vielen kleinen Initiativen zur Förderung der Frauenarbeit oder zur Bekämpfung der Wasserknappheit beispielsweise mir auch Mut machen und mir zeigen: Es bringt etwas, es gibt Menschen, die mit grossem Einsatz etwas verändern.

Das Angebot an Veranstaltungen und Kultur an der Vollversammlung und an weiteren Orten in Karlsruhe ist riesig, für mich besteht die Gefahr, mich zu verzetteln. Das Wochenende bot nun Gelegenheit, die Erfahrungen zu reflektieren. Der Ausflug ins Kloster Maulbronn war eine schöne Abwechslung und bot Gelegenheit in wechselnden Gesprächen unsere Gruppe besser kennen zu lernen.

Nun freue ich mich sehr auf den zweiten Teil der Volllversammlung.

3. Tag der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe

Europa und der Ukrainekonflikt

 

von Bernd Berger

Der Freitag stand unter dem Thema Europa und im Zentrum war die Diskussion über den Ukrainekonflikt. Vor dem Plenum gab es ein mit standing ovations bedachtes Grusswort der Generalsekretärin von Religions for Peace Prof. Azza Karam. Sie unterstrich, dass die Liebe Christi nicht nur den Christ:innen gilt, sondern allen Menschen, auch ihr als Muslima und sie bat die Versammlung, alles dazu beizutragen, dass Krieg keine Option sein darf.

Nach der Rede von Bundespräsident Steinmeier und der harschen Verlautbarung der Delegation der Russisch-Orthodoxen Kirche, die Steinmeier Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten vorwarf, durfte man auf die heutige Plenarsession gespannt sein. Der geschäftsführende Generalsekretär Prof. Ioan Sauca hatte ja zu Beginn der Versammlung betont, dass der ÖRK niemand ausschliesst, sondern eine Plattform des Dialogs ist, ein «safe space» und gleichzeitig die Teilnehmenden aus der Ukraine herzlich begrüsste und den russischen Angriffskrieg mit klaren Worten beim Namen nannte.

Humanitären Aufgaben der Kirchen

Wer im Plenum einen Dialog zwischen Vertretern aus der Ukraine und Russland erwartet hatte, wurde enttäuscht. Die Bühne der Schwarzwaldhalle wäre dafür sicher auch kein geeigneter Rahmen gewesen. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Dialog im kleinen Kreis am Rande der Versammlung möglich wird und Schritte der Annäherung gegangen werden. Im Plenum kamen dafür Vertreter:innen aus der Ukraine zu Wort, die uns eindrücklich auf ihr Schicksal und die humanitären Aufgaben der Kirchen hinwiesen. Man darf diesen Entscheid, auf die Stimme der Opfer zu hören, durchaus als klare Stellungnehme des ÖRK zugunsten der Opfer dieses Konflikts und gegen die russische Aggression verstehen.

Podiumsdiskussion im Swisshub

Im Swisshub der EKS fand eine Podiumsdiskussion “Being Protestant in Europe today, contributing to reconciliation and unitity” statt. Engagiert diskutierten Annette Kurschus, Präses der EKD, Emmanuelle Seyboldt, Präsidentin der Eglise Protestant Unis de France und die Präsidentin der EKS Rita Famos miteinander und stellten sich den Fragen des Publikums. Dabei wurde deutlich, wie unterschiedlich die Rolle der Kirche in den drei Ländern ist, mit welchen gemeinsamen Herausforderungen sie aber auch konfrontiert sind.

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Plenumsdiskussion im Swisshub der EKS

2. Tag der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe

Klimagerechtigkeit und die Situation im Nahen Osten

 

von Bernd Berger

Vielstimmig, vielsprachig und bunt – die Gottesdienste an der Vollversammlung sind ein Erlebnis. Sie vermitteln eine Ahnung des Pfingstgeistes. Berührend war heute eine Zeremonie, in der Vertreter:innen aller Weltgegenden Wasser in ein Becken schütteten. Abgeschlossen wurde die Zeremonie mit den Worten: «Wir werden ernährt, versorgt und miteinander verbunden. Wir sind angewiesen auf alles Leben auf unserem Planeten. Wir sind durch die Taufe in Christus vereint. Wir sind gereinigt. Wir sind gesegnet.

Das thematische  Plenum stand unter dem Thema “The purpose of God’s love for the whole creation – reconciliation and unity”. Im Zentrum standen Fragen der Klimagerechtigkeit und die Situation im Nahen Osten.

«Macht mit» statt «Macht über»

Hyunju Bae aus Korea legte in ihrer Bibelarbeit Mt 9,35-38 aus. In der Zürcher Bibel heisst es: Als er (Jesus) die vielen Menschen sah, taten sie ihm leid. Die Lutherbibel übersetzt «es jammerte ihn». Die englische Übersetzung «he had compassion with them» bringt viel deutlicher zum Ausdruck, worum es an dieser Stelle geht. Bae führte uns vor Augen, wie zentral compassion/Mitgefühl für das Verständnis Jesu ist und zeigte auf, dass compassion eine wichtige Führungsqualität ist. Die Nachfolge Jesu führt zu einem Bewusstseinswandel. Statt einer «Macht über» brauchen wir eine «Macht mit», die von Anerkennung und Respekt geprägt ist gegenüber allen Geschöpfen Gottes. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. In der ökumenischen Bewegung ist in letzter Zeit von einer «Ökumene der Herzen» die Rede. Ein hilfreiches Leitbild für die gemeinsame Nachfolge auf dem Weg des mitfühlenden Jesus.

Am Abend des 2. Versammlungstages trafen sich die unterschiedlichen Konfessionen, die Reformierten unter dem Dach des Reformierten Weltbundes. Es war ein eindrückliches Zeichen reformierter Vielfalt und weltweiter Verbundenheit. In diesem Rahmen wurde der ehemalige Generalsekretär des Reformierten Weltbundes Jerry Pillay aus Südafrika für sein neues Amt als Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen gesegnet und mit einer Bibel geschenkt. Pillay zeigte sich sehr gerührt von dieser Zeremonie. Er dankte für das Geschenk und meinte, es könne für einen Reformierten kein passenderes Geschenk geben als Gottes Wort.

1. Tag - Start der Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe

Eröffnungstag

 

 

von Bernd Berger

Nach über 50 Jahren findet wieder eine VV des ÖRK auf europäischem Boden statt. Dass der Tagungsort Karlsruhe meine Heimatstadt ist, freut mich natürlich besonders. In der Schwarzwaldhalle habe ich mein erstes grosses Konzert besucht (Uriah Heep). Nun treffen sich in Karlsruhe rund 4000 Christ:innen aus aller Welt, rund 850 sind Delegierte der Mitgliedskirchen, die in diesen Tagen wichtige Entscheidungen über den weiteren Kurs des ÖRK treffen und den Zentralausschuss wählen.

Am Eröffnungstag sprachen die Moderatorin des Zentralausschusses des ÖRK Dr. Agnes Abuom und der geschäftsführende Generalsekretär Prof. Dr. Ioan Sauca. Sauca betonte in seinem eindrücklichen Bericht, dass der ÖRK eine Plattform des Dialogs sei und schilderte die Bemühungen des ÖRK, die russisch-orthodoxe Mitgliedskirche in einen kritischen Dialog zu bringen. Besonders herzlich wurden die ukrainischen Teilnehmenden begrüsst. Im Blick auf den Palästinakonflikt unterstrich Sauca, dass der ÖRK sich entschieden gegen Antisemitismus wende, jedoch Menschenrechtsverletzungen und Unrecht gegen die palästinensische Bevölkerung beim Namen nenne. Er berief sich auf den Dialog mit den Christ:innen in der Region und mahnte zu Vorsicht und Besonnenheit und wandte sich gegen eine Gleichsetzung der israelischen Politik mit der Apartheid.

Heisse Eisen an der ÖRK

Zu Gast war auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der als aktives Mitglied der reformierten Kirche in seinem Grusswort eindrücklich das Logo der Vollversammlung thematisierte und mit seinem Aufruf, sich gegen jede Form des Antisemitismus klar zu positionieren, eines der heissen Eisen der Versammlung und den deutschen Kontext ins Spiel brachte. In sehr deutlichen Worten drückte Steinmeier die Solidarität mit der Ukraine aus, verurteilte den russischen Angriffskrieg und den Missbrauch des christlichen Glaubens durch die Führung der russisch-orthodoxen Kirche. Man solle sich durchaus als Plattform des Dialogs verstehen, dürfe dem Dialogpartner aber unangenehme Wahrheiten nicht ersparen. Man darf gespannt sein, wie die weiteren Diskussionen auf der Vollversammlung zu diesen Themen verlaufen werden.

Ein eindrückliches Erlebnis war der Eröffnungsgottesdienst. Das bunte Miteinander von Christ:innen und Christen aus aller Welt, die miteinander singen und beten, hat sich mir eingeprägt und die Vorfreude auf die Gottesdienste und Bibelarbeiten der kommenden Tage verstärkt. Dass er ein buntes Potpourri war und ziemlich lange dauerte, war zu verschmerzen.

Spannende Plenumsveranstaltungen

Gespannt bin ich auch auf die thematischen Plenumsveranstaltungen. Wie wird hier in Karlsruhe über den Ukrainekrieg diskutiert werden? Wie wirkt sich der deutsche Kontext auf die Diskussionen zu Israel/Palästina aus? Welche Rolle werden Fragen des Postkolonialismus oder Genderthemen spielen? Was können die Kirchen gemeinsam zur Klimagerechtigkeit beitragen? Oder zu den brennenden Themen weltweiter Gerechtigkeit? Was heisst Einheit der Kirche heute und welche Einheit wollen wir anstreben? Und vor allem: kann das Thema der Vollversammlung «Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt» uns geistlich stärken und ermutigen, unsere christliche Verantwortung in dieser Welt wahrzunehmen und uns dabei untereinander respektvoll und geschwisterlich darüber zu verständigen, wozu die Liebe Christi uns bewegt?

Bewegt von diesem Auftakt erwarte ich neugierig und gespannt auf die kommenden Tage.

örk Tag 1-1

Einleitung zur Studienreise an die ÖRK

 

von Bernd Berger

Die Vollversammlung des ÖRK findet etwa alle 8 Jahre statt (zuletzt 2013 in Busan). In Karlsruhe steht sie unter dem Motto «Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt». Rund 3500 Christ:innen aus aller Welt – Delegierte und Gäste – werden sich in Karlsruhe treffen. Damit zeigt die Vollversammlung ein Bild der Diversität der weltweiten Christenheit.

Im Booklet zur Vollversammlung heisst es: «Direkte Inspirationsquelle für das Thema «Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt» ist 2.Korinther 5,14. Es beruht auf dem zentralen Aspekt des Evangeliums, der der Welt die Tiefe und das Wunder der Liebe Gottes, der heiligen Dreifaltigkeit, aufzeigt. Es ist verwurzelt in der göttlichen Absicht von der Einheit und Versöhnung aller, einer Absicht, die durch die Fleischwerdung der Liebe Gottes in Jesus Christus für uns sichtbar gemacht wurde.»
 

Schwerpunktthemen

Jeder Tag hat einen anderen Schwerpunkt (Versöhnung und Einheit; Europa; die Liebe Christi - lebenslanges Mitgefühl; die Liebe Christi - lebenslange Nachfolge; die Liebe Christi – Verbundenheit in der Einheit der Christen / das gemeinsame Zeugnis der Kirche) und geht von einem Bibeltext aus. Eine wichtige Rolle spielen Gottesdienste und Bibelarbeiten. Dabei werden die Gottesdienste nach der Liturgie jeweils einer der Mitgliedskirchen gefeiert und die anderen dazu eingeladen. Zahlreich Workshops werden angeboten (auch von Refbejuso, EKS, mission21 und HEKS). Die lokalen Kirchen und die Initiative «Casa Comun» bieten ein vielfältiges Rahmenprogramm.

Klimawandel, weltweite Gerechtigkeit, die digitale Revolution, der Israel-Palästina-Konflikt, die kirchliche Einheit und natürlich der Ukraine-Krieg werden zur Sprache kommen. Im Vorfeld wurde heftig diskutiert, wie mit der Haltung des Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche zum Krieg umzugehen und ob sogar ein Ausschluss der russisch-orthodoxen Kirche angebracht sei. Auf die Debatte darf man gespannt sein.

Wir freuen uns auf die vielfältigen Begegnungen, die Diversität der weltweiten Kirche (auch wenn sie vermutlich immer wieder anstrengend und belastend sein kann, weil unsere Weise Christsein zu leben, in anderen Weltgegenden kaum verstanden wird und umgekehrt). Hier bietet eine solche Versammlung die grosse Chance des Gesprächs.

Es wäre schön, wenn der Blog dazu beitragen würde, dass wir uns – auch im kirchlichen Alltag in der Schweiz – stärker als bisher als Teil der weltweiten Kirche verstehen und die Perspektiven der Christ:innen im globalen Süden stärker im Blick haben.

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